Autographen und Buecher

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Karl Geigy-Hagenbach

Aus der Anfangszeit des Sammelns

Die Firma Stargardt hat mich um einen Beitrag für den „Autographen-Sammler" gebeten und zwar über das Thema:

1. Etwas Grundsätzliches über das Autographensammeln. 2. Etwas Spezielles über meine Sammlung. 3. Eine Episode aus der Anfangszeit meines Sammelns.

Das ist viel für den zur Verfügung stehenden knappen Raum, allein er dürfte genügen, um einige Hauptpunkte zu berühren und, obschon ich kein Freund der Publizistik bin, will ich versuchen, dem Wunsche der Firma Stargardt nachzukommen. Ich fange bei der letzten Frage an.

Im Jahre 1884 war ich in einem Pensionat in Neuenburg (Schweiz). Eines Tages trat ein junger Frankfurter bei uns ein, der am nächsten Tage zu mir aufs Zimmer kam, mit der Frage: "Sammelst du auch Autographen?" - "Was ist das?"- "Das sind Handschriften und Briefe berühmter Persönlichkeiten." - "Wie bekommt man solche Sachen?" - "Man kann sie kaufen, wenn man Geld genug hat."

Ich habe mich schon in früher Jugend für "berühmte Persönlichkeiten" interessiert, und deshalb war mir die Anfrage sofort sympathisch. Dazu kam noch, dass auf dem Tisch unseres Hausherrn der Auktionskatalog der eben versteigerten berühmten Sammlung Alfred Bovet (eines geborenen Neuenburgers) lag, mit den vielen schönen Faksimiles. Ich habe diesen Katalog auf mein Zimmer genommen und ihn eifrig studiert. Der Funke hat gezündet. Mein Freund und ich, wir haben zusammen im Wettlauf an berühmte Männer geschrieben, und die hübschen Antworten bilden noch heute einen Untergrund meiner Sammlung. Außerdem war auf dem Katalog Bovet die Adresse von Etienne Charavay angegeben, der mir dann auf meinen Wunsch hin seinen Katalog sandte, aus dem ich, im Rahmen meiner damaligen Mittel, einige kleinere Sachen bestellt habe. Das war der Beginn meiner Sammlung.

Und nun, wie wird eine Sammlung aufgebaut? Auch da heißt es "Aller Anfang ist schwer" und "Rom ist nicht an einem Tage erbaut worden".

Für den ernsthaften Sammler kommt es vor Allem darauf an, ein wirkliches Interesse für berühmte Persönlichkeiten zu besitzen. Man wird sich auch hier die nötigen Kenntnisse nur langsam aneignen. Zuerst wird man sich nach Namen umsehen, die jeder kennt.

Ich erwarb am Anfang zwei kleine Stücke von Goethe und Schiller, eine von Goethe unterzeichnete Quittung und einen kleinen Brief von Schiller. Diese Stücke haben mir große Freude bereitet, ich habe sie täglich angesehen; aber nun kommt die Zeit, wo die eigentliche Sammeltätigkeit beginnt. Man will nicht nur die beschriebenen Blättchen betrachten und sich daran freuen, man will auch die Persönlichkeit kennen lernen. Man wird die Biographien zur Hand nehmen und daraus den Weimarer Musenhof kennen lernen. Man liest von Herder, Wieland, Knebel, Eckermann, von den Freundinnen Goethes und Schillers, von Friederike Brion über Charlotte v. Stein zu Ulrike v. Levetzow, und es entsteht der Wunsch, die Briefe der Dichterfürsten auch durch die Briefe der Persönlichkeiten, die sie im Leben umgeben haben, umrahmen zu lassen. Auf diese Weise entsteht die Tätigkeit, die ein großer Schriftsteller in die folgenden trefflichen Worte gekleidet hat: „So steigert sich - und das ist für mein Gefühl das Wunderbarste am Sammeln - Besitz am Wissen und Wissen wiederum am Besitz." Was sich für Goethe und Schiller sagen lässt, kann auch auf andere Gebiete, auf Fürsten, Feldherren, Gelehrte, Musiker, Maler angewendet werden. Ich habe in den letzten 40 Jahren fast ausschließlich Biographien gelesen und auf Grund derselben die größte Anregung für die Entwicklung der Sammlung gefunden. Diese Kenntnisse kann man sich natürlich nur allmählich aneignen. Im Zeitalter der Spezialisierung wird kaum mehr universell gesammelt, das ist bedauerlich, denn jedes Gebiet wird seine großen Anregungen bringen. Andrerseits hat das Spezialisieren den Vorteil, dass die finanziellen Mittel auf ein einziges Feld konzentriert werden, und dieses Feld dann besser ausgebaut werden kann. Ich meinerseits habe nie bedauert, universell gesammelt zu haben, denn es wäre mir schwer gefallen, die Wahl zu treffen, da ich mich für alle Gebiete ungefähr in gleicher Weise interessiere.

Der Anfänger wird sich damit begnügen, schon mit Rücksicht auf die in jungen Jahren beschränkten finanziellen Mittel, kleine Stücke, Albumblätter, bloß unterzeichnete Briefe oder gar nur Unterschriften zu sammeln, und diese Blätter werden dem jungen Sammler vielleicht ebenso viel Freude machen, wie dem gereiften Sammler die großen Stücke. Mit der Zeit wird aber der ernste Sammler, im Rahmen seiner Mittel, an eine Verfeinerung der Sammlung herantreten, er wird viele unbedeutende Stücke abstoßen und dafür wenige gute Stücke kaufen, dann erst wird die Sammlung ein befriedigendes Aussehen erhalten. Zum richtigen Sammeln stehen eine größere Anzahl Faksimile-Werke zur Verfügung, die gestatten, die gekauften Autographen auf ihre Echtheit zu prüfen und ein System in die Sammlung zu bringen. An Hand solcher Bücher kann man einen richtigen Aufbau der Sammlung durchführen; es wird ein Zellengebilde entstehen, in dem sich Name an Name reiht. Das Ziel der Wünsche wird sein, Briefe zu finden, in denen der Schreibende von seinen Werken und Taten berichtet.

Einen großen Mangel habe ich beim Sammeln immer empfunden, nämlich das Fehlen eines Adressbuches für Autographensammler. Der bedeutende Sammler E. Fischer v. Röslerstamm hat es im Jahre 1887 unternommen, die Ausgabe eines solchen Adressbuches durchzuführen. Er hat damals an die größeren Buchhandlungen der verschiedenen Länder Anmeldebogen gesandt zur Verteilung unter die Sammler, mit der Aufforderung, Namen, Adresse und Sammelgebiet einzutragen. Auch die Adressen der Händler waren beigefügt (darunter die der Firma Stargardt). Auf diese Weise sind dann die Kataloge an eine große Anzahl von Sammlern gelangt, und es war für Sammler und Händler wertvoll.

Dem Fehlen eines neuzeitlichen Adressbuches ist es zuzuschreiben, dass ich den Auktionskatalog der großen Sammlung Morrison-London nicht erhielt, wodurch mir eine nie wiederkehrende Gelegenheit zur Erwerbung höchst interessanter Stücke entging.

Das erste Adressbuch von 1887 ist nicht mehr brauchbar, da wohl die meisten Personen verstorben sind, - ich bin einer der wenigen Übriggebliebenen. Heute könnte ein solches Buch leichter zusammengestellt werden, wenn die Händler der verschiedenen Länder ihre Listen zur Verfügung stellen würden. Wenn ich noch 30 Jahre jünger wäre, würde ich selbst die Herausgabe in die Hand nehmen. Mit diesem Wunsche möchte ich meine Betrachtungen schließen.

Karl Geigy-Hagenbach, [Über das Sammeln von Autographen]. In: Der Autographen-Sammler. Eine monatlich erscheinende Katalogfolge des Hauses J. A.  Stargardt, Berlin. Jg. I, Nr. 6, November 1936.

Mit freundlicher Genehmigung der Firma J. A. Stargardt, Berlin.





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